Jannine Sutter

Nicht umsonst gelebt

Herbst  (Foto: Markus Dettwiler)

Anne Franks Zeilen sprechen Hoffnung in unser Leben hinein.
Jasmin von Wartburg,
«Ich will nicht umsonst gelebt haben wie die meisten Menschen. Ich will den Menschen, die um mich herum leben und mich doch nicht kennen, Freude und Nutzen bringen. Ich will fortleben, auch nach meinem Tod.»
So kann man es lesen im Tagebuch der Anne Frank. Am 5. April 1944 hat die damals 15-Jährige das aufgeschrieben. Als jüdisches Mädchen lebte sie versteckt vor der nationalsozialistischen Verfolgung in Amsterdam. Wenige Wochen später wurde sie gefangengenommen und starb 1945 im Konzentrationslager. Geblieben sind die Erinnerungen Anne Franks und ihre aussergewöhnlichen Aufzeichnungen im Tagebuch.
Der Wunsch, dass unser Leben nicht umsonst ist, verbindet uns mit vielen anderen. Schon um 500 vor Christus beteten die Verbannten im Exil voll Hoffnung. Und Jesaja antwortete ihnen:

Das sagt der Herr: Seht, ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Dann denkt niemand mehr an das, was früher war. Es ist für immer vergessen. Freut euch und jubelt ohne Ende über das, was ich jetzt erschaffe! Ich mache Jerusalem zu einer Stadt des Jubels, und seine Bewohner erfülle ich mit Freude. Auch ich will über Jerusalem jubeln und mich über mein Volk freuen. Man wird dort niemanden mehr weinen hören, die Klage ist für immer verstummt. Es gibt dort keinen Säugling mehr, der nur wenige Tage lebt. Man findet keinen Greis, der nicht ein hohes Alter erreicht. Wenn einer mit Hundert stirbt, sagt man: Er war noch jung. Und wer die Hundert nicht erreicht, gilt als gestraft. Dann wird man Häuser bauen und selbst darin wohnen. Man wird Weinberge pflanzen und selbst ihren Ertrag genießen. Man baut keine Häuser mehr, in denen dann andere wohnen. Man pflanzt nichts mehr, das dann andere essen. Die Menschen in meinem Volk werden so alt wie Bäume. Meine Erwählten werden das genießen, was sie mit eigenen Händen erarbeitet haben. Keiner müht sich mehr vergebens. Niemand bringt Kinder zur Welt, die früh sterben. Denn sie sind die Nachkommen derer, die der Herr gesegnet hat. Darum werden sie mit ihren Kindern leben. Schon ehe sie rufen, antworte ich ihnen.

Während sie noch reden, erhöre ich sie. Wolf und Lamm weiden friedlich zusammen, der Löwe frisst Stroh wie das Rind. Doch die Schlange muss sich von Erde ernähren. Man tut nichts Böses mehr und begeht kein Verbrechen auf meinem ganzen heiligen Berg. Das sagt der Herr.


Gott wird alles gut machen: Ja. Doch was helfen uns diese Hoffnungsbilder jetzt? Was helfen sie in den Belastungen des Lebens? Was helfen sie in der Trauer und Leere, wenn man an einen geliebten Menschen denkt, der gestorben ist?
Für uns Christinnen und Christen ist das neue Leben Gottes nicht fern; in Jesus Christus hat es bereits angefangen. Wie er gelebt und sich allen Menschen zugewendet hat, wie er in seiner Liebe zu den Menschen gestorben ist, und wie er in Gottes Frieden neu lebt: davon können wir jetzt schon zehren. In aller Not können wir wissen: die Liebe hört nicht auf.
In aller Erschöpfung können wir darauf vertrauen: Bei Gott ist nichts vergeblich. In aller Trauer um geliebte Menschen können wir glauben: Bei Gott ist alles Leben gut aufgehoben.
«Ich will nicht umsonst gelebt haben», hatte Anne Frank geschrieben. Ihr Leben und ihre Gedanken sind nicht in Vergessenheit geraten. So können wir in dem Vertrauen leben: Nichts ist vergeblich. Wir bleiben in Gottes Liebe, ob wir leben oder sterben.
Pfarrerin Jasmin von Wartburg

Bereitgestellt: 14.11.2024      
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