Die offene Tür zum Himmel
Die Sehnsucht – wie sie den Menschen ändert
Jasmin von Wartburg,
Die Adventszeit rüttelt in mir die Sehnsucht nach dem Himmel wach. Einerseits duftet es im Haus, Kerzen leuchten und vertraute Lieder erzählen von Liebe und Frieden.
Andererseits abends die Nachrichten: wieder ein Bombenangriff. Wieder eine Überschwemmung. Wieder die Bilder von weinenden Menschen.
Gerade im Advent kann ich das kaum aushalten. Da sehne ich mich nach einer heileren Welt. Und manchmal wünsche ich mir einen, der von oben her eingreift und alles anders werden lässt!
So muss es auch Friedrich Spee gegangen sein, der eines der ältesten Lieder aus unserem Gesangbuch gedichtet hat (RG 361). Er fragt verzweifelt: «Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?» Und sehnsüchtig ruft er: «O Heiland, reiss die Himmel auf!»
Ich finde mich wieder in diesen ungeduldigen Worten. Ja, mein Gott, wo bleibst du denn? Reiss doch den Himmel auf! Komm endlich und tröste uns!
Aber so ist es nicht. Gott verändert die Welt nicht durch einen Himmelsriss oder gar durch Gewalt. Er wählt einen leiseren, sanfteren Weg. Er öffnet fast heimlich die Tür zum Himmel und schickt seinen Sohn auf die Erde – als kleines Baby. Dieser Jesus lässt mich einen Blick durch die Himmelstür werfen. Ich sehe, wie es dort zugeht: Traurige werden getröstet, Kranke geheilt und Tote lebendig.
Und so legt mir Gott die Sehnsucht nach dem Himmel ins Herz. Und wenn sie müde ist, rüttelt er sie wach. Denn sie soll in mir brennen, auch wenn ich es manchmal kaum aushalten kann. Die Sehnsucht nämlich verändert mich: Sie lässt mich mitfühlen und macht mich bereit, anderen etwas zu schenken: Freundlichkeit und Liebe oder Zeit und Geld. Damit auch sie einen Blick in den Himmel werfen, dessen Tür Gott für uns geöffnet hat.
Pfarrerin Jasmin von Wartburg